Gazette Neue Musik in NRW - Ausgabe Juni 2019

Gewesen: Achtbrücken in Köln – Wittener Tage für neue Kammermusik – Der goldene Drache von Peter Eötvös in Krefeld

Angekündigt: Ensemblia in Mönchengladbach – Schönes Wochenende und Klangräume in Düsseldorf – zwei Konzerte zum 100. Geburtstag von Galina Ustwolskaja in Bonn u.v.a.m.

 

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[Achtbrücken in Köln]

 

Vom 30.4. bis 11.5. stand Köln bereits zum 9. Mal im Zeichen des Achtbrücken-Festivals und wie in den Vorjahren wurde viel geboten. Ein Schwerpunkt galt dem griechisch-französischen Komponisten Georges Aperghis, von dem alleine 18 Werke zur Aufführung kamen. In Athen als Sohn eines Bildhauers und einer Malerin geboren hat er einen engen Bezug zur bildenden Kunst, versuchte sich selbst in diesem Metier, wandte sich jedoch nach seiner Übersiedlung nach Paris 1963 endgültig der Musik zu. Besonders theatrale Elemente sowie der menschliche Ausdruck, vermittelt durch Stimme, Mimik und Gestik, faszinieren ihn und hier liegt auch seine Stärke, wie die Aufführung der Hamletmaschine mit dem SWR Vokalensemble und dem Asko/Schönberg-Ensemble am Eröffnungsabend eindrucksvoll zeigte. Auch wenn Textverständlichkeit und damit die komplexen Bezüge des zugrundeliegenden Theaterstücks von Heiner Müller weitgehend auf der Strecke bleiben, kam die Dringlichkeit dieses 'weltlichen Oratoriums', das Aperghis als Passionsgeschichte des 20. Jahrhunderts versteht, zum Ausdruck; in überschäumendem Tohuwabohu herausgeschmetterte Wortfetzen treffen auf litaneiartiges Murmeln, Megaphonattacken und schrilles Gelächter auf zarte Soli. Das Ensemble de Théâtre Musical der Hochschule der Künste Bern (das 2017 bereits mit einer Inszenierung von Hans Wüthrichs Das Glashaus überzeugte, s. Gazette Juni 2017) widmete sich auf sehr kreative Weise Aperghis' Machinations. In der ursprünglichen 2000 in Witten uraufgeführten Versuchsanordnung artikulieren vier Frauen vorsprachliche Laute und hantieren mit diversen Objekten, was live auf über ihren Köpfen hängende Bildschirme übertragen und gleichzeitig von einer fünften Person mit Hilfe eines Computers manipuliert wird. Dieser Aspekt des Kontrollverlusts, der Mechanisierung bzw. Maschinisierung, auf die der Titel verweist, trat in der Berner Inszenierung zwar in den Hintergrund, doch es machte großen Spaß, den diesmal acht Protagonisten zu folgen, die aus dem Mit- und Gegeneinander von Laut, Geste, Ding und Verdoppelung immer neue Funken schlugen. Weniger überzeugt haben mich Aperghis orchestrale Werke, so zum Beispiel die Étude IV - VI, die im Konzert mit dem WDR Sinfonieorchester zu Gehör kamen. Dafür ließ im gleichen Konzert die deutsche Erstaufführung von Christophe Bertrands Mana aufhorchen. Bertrand, der sich 2010 mit nur 29 Jahren das Leben nahm und hierzulande noch nicht sehr bekannt ist, schreibt eine äußerst energiegeladene Musik. In Mana setzten Schlagzeug und Flöte einen überbordenden quirligen Prozess in Gang, der zunehmend düstere Facetten annahm. Neben dem WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Brad Lubmann waren in Köln das Gürzenichorchester, das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam mit Peter Eötvös und das SWR Sinfonieorchester mit Teodor Currentzis vertreten. Vor allem letztere bescherten der Philharmonie ein volles Haus, wobei man dem Publikum mit älteren Werken (Bruckner, Rachmaninow, Lutoslawski) entgegen kommen wollte. Schade nur, das auch die neueren Stücke (Eötvös' Alle vittime senza nome für die namenlosen Opfer von Krieg und Verfolgung aus dem Jahre 2016) und selbst Uraufführungen (Michel van der Aas akin) sich fast nahtlos einfügten und den Eindruck erweckten, es wäre in den letzten 100 Jahren musikalisch nicht viel passiert. Als interessanter erwiesen sich die Konzerte mit den einschlägigen Spezialensembles, wobei das Klangforum Wien gleich zweimal auf dem Podium stand. Georg Friedrich Haas versicherte vor der Aufführung von equinox für Klarinette, Violoncello und Klavier ausdrücklich, es sei ihm ernst mit all den tonalen Dreiklängen, die melancholisch umwölkt vor sich hin perlten, doch unterschwellig brodelte es und nach rastlosem Auftakt zerfaserte die Musik irgendwo zwischen Resignation und Unerbittlichkeit (letztere geprägt durch die vom Klarinettisten fast über die gesamte 20-minütige Spieldauer geforderte Zirkularatmung). In Ying Wangs Schmutz für Violine und Ensemble geriet die nervös zirpende Geige in schwere See und wurde von donnernden tumultuarischen Eskapaden, verzerrten Klängen der E-Gitarre und knarzenden Megaphonen fast verschluckt und auch Rebecca Saunders lies in Scar die Wunden der Welt rau, scharfkantig, teilweise in brachialen Ausbrüchen widerhallen. Dazwischen wirkten Aperghis' Teeter-Totter und Seesaw geradezu verspielt. Das Nieuw Ensemble aus Amsterdam hob seine Lost connections aus der Taufe, bei dem wie der Titel andeutet der Gesprächsfaden immer wieder abreißt, kurze Soli einzelner Instrumente ins Leere laufen. Carola Bauckholt musikalisiert auf ihre unnachahmliche Weise Alltagsphänomene und widmete sich in Point of Presence den normalerweise verborgenen elektromagnetischen Klängen, die Christina Kubisch bei ihren Electric Walks mit Induktionskopfhörern hörbar macht, und Misato Mochizuki lies in Silent Circle Koto und Flöte als Protagonisten aufeinander treffen.

Das Ensemble Modern brachte im Kulturbunker Mülheim ein multimediales und theatrales Programm auf die Bühne, mit Werken die schon andernorts für Furore sorgten. Simon Steen-Andersen setzt in Run Time Error im Video eine Kettenreaktion in Gang, die an Der Lauf der Dinge von Fischli und Weiss erinnert. Das Ausgangsmaterial wurde vom Komponisten auf mehreren Bildschirmen live manipuliert und vom Ensemble musikalisch begleitet, der anfängliche Witz war jedoch schnell verbraucht und die Umsetzung geriet zu langatmig. Als amüsanter erwies sich Brigitta Muntendorfs Ballett für Eleven, das letztes Jahr in Donaueschingen Premiere feierte. Mit weißen Perücken und aufgeklebten Augen und Mündern präsentierte das Ensemble eine veritable Freakshow, die ständig neue Überraschungen bereit hielt, Nebel wabern lies und auch das Publikum nicht verschonte.

ON – Neue Musik Köln steuerte als Vertreter der freien Musikszene vier eigene Programmpunkte bei und punktete diesmal vor allem mit ungewöhnlichen Spielorten. Im klub domhof bewegten sich zu Roman Pfeifers monotonen Rhythmen selbstvergessen zwei Tänzerinnen, die MS Jan von Werth schipperte über den Rhein begleitet von elektronischem Knarzen und Schnipseln aus Interviews mit Kölner Komponisten und in der AbenteuerHalle Kalk begleiteten Akiko Ahrendt und Dirk Rothbrust das rhythmische Rattern der Skateboarder mit Geigen- und Schlagwerkklängen. Letzteres funktionierte noch am besten, insgesamt blieb aber musikalisch Luft nach oben – was leider auch für den diesjährigen Kompositionswettbewerb gilt, bei dem drei Werke für Ensemble und Live-Elektronik zur Disposition standen, von denen mich keines überzeugte.

Dafür bescherte wie in den Vorjahren der sogenannte Freihafen am 1. Mai einen Tag lang volles Programm bei freiem Eintritt. U.a. präsentierte Enno Poppe mit seinem ensemble mosaik sein Werk Rundfunk, bei dem neun Synthesizer ein einstündiges, wunderbar überbordendes, mal ekstatisch überdrehtes, mal elegisch abdriftendes Spektakel veranstalten. Der Stadtraum wurde von der von Rie Watanabe gegründeten High-powered Ching Dong Band erobert, die nach dem Vorbild zu Werbezwecken eingesetzter japanischer Straßenmusiker agiert und von der Youth Brass Band NRW unter der Leitung von Martin Schädlich unterstützt wurde. Auf subtilere Weise griff Manos Tsangaris ins städtische Geschehen ein, indem er ein leerstehendes Ladenlokal bespielte und den Zuschauer eine kleine musikalisch-theatralische Keimzelle aus immer wieder neuen Perspektiven und live kommentiert erleben lies.

Nach fast zwei Wochen dichtem Programm hätte man eigentlich eine Verschnaufpause gebraucht, aber der WDR hatte anderes mit uns vorgesehen. Im fliegenden Wechsel ging es nach Witten.

 

[Wittener Tage für neue Kammermusik]

 

Die Wittener Tage für neue Kammermusik kreisten in ihrer 51. Ausgabe um das Thema Spiel und hatten sich mit Ondrej Adámek hierfür einen idealen Kandidaten eingeladen. Adámek ist ein munterer Typ, der im Gespräch mit Martina Seeber lebhaft Auskunft gab. 1979 in Prag geboren ist er in der Welt schon viel herumgekommen, Stipendien und Projekte führten ihn nach Afrika, Kolumbien, Spanien, Japan und Italien und überall ließ er sich von der Musik, der Sprache und dem Alltag der Menschen inspirieren. Mit wachem Ohr reagiert er auf Stimmen und Gesten; Körperlichkeit und Energie, Neugier und Spiel sind seine Welt. Bekannt wurde er mit seiner Airmaschine, eine durch Staubsaugermotoren angetriebene Apparatur, die in rascher Folge mit den verschiedensten Aufsätzen bestückt wird – Tröten, Pfeifen, Gummihandschule, grunzende Plastikschweine – und nicht nur akustisch sonder vor allem optisch einiges her macht. In Chamber Noise für Cello und Kontrabass nehmen die Musiker mit kraftvollen Strichen, markanten Akzenten, Pizzicati und Sprecheinlagen unmittelbar Bezug auf die japanische Klangwelt. Das funktioniert und wirkt doch manchmal eine Spur zu durchschaubar und effektvoll. Daher war es interessant zu erleben, wie er sich einem ungleich komplizierteren Thema nähert. Anlässlich der Münchner Biennale 2018 mit dem Thema Privatsache konfrontiert, widmete er sich Postkarten, die sein Großvater aus Theresienstadt an seine Angehörigen schrieb und die bis dato von der Familie unter Verschluss gehalten worden waren. Die Nachrichten schildern nicht die Schrecken des Lagers sondern sollen im Gegenteil beruhigen. „Immer wohl.“ - „Seid unbesorgt!“ sind wiederkehrende Formulierungen. Diesen verzweifelten Versuch, das Grauen zu bannen, wiederholt Adámek in seinem Werk Schlafen gut. Warm, das von seinem eigenen Ensemble Neseven realisiert wurde. Doch zwischen den rhythmisch hervorgestoßenen Textzeilen, dem hektischen Hecheln und Zischen wird die Erschöpfung und Atemlosigkeit jederzeit spürbar. Ob es zur Illustration unbedingt der Luftpumpen bedurft hätte, sei dahingestellt, Adámeks eigenes Unbehagen an der Thematik wird jedenfalls spürbar und gibt dem Werk eine Doppelbödigkeit, die seinen anderen Stücken oft fehlt. In einer weiteren Uraufführung Man Time Stone Time lässt er das WDR Sinfonieorchester die von vier Protagonisten vorwiegend mit Steinen erzeugten Klänge aufgreifen und nachschwingen, wie Wellen, die sich konzentrisch auf einer Wasseroberfläche ausbreiten. Doch spätestens wenn Jesus ins Spiel kommt, der die Steinigung einer Sünderin vereitelt, mutiert das Werk zum theatralen Gottesdienst. Ob es sich hierbei um eine Parodie handelt oder um (zum Glück unblutigen) Ernst, ließ sich nicht ganz klären, ist aber letztlich egal, denn das Stück ist so oder so nicht zu retten.

Auch Adámeks Landsmann Martin Smolka kokettiert in Stretto mit der Religion und lässt Zikaden einen Lobgesang auf die Jungfrau Maria anstimmen. Überzeugender fiel seine Auseinandersetzung mit Franz Kafkas Vor dem Gesetz aus, das von Jiri Adámek, dem Bruder von Ondrej Adámek, mit dem Ensemble Ascolta in Szene gesetzt wurde. Kafkas Text fängt an zu schwingen und insbesondere der Türhüter bekommt in seiner Klanglichkeit ein neues Eigenleben. Dazwischen breitet sich zarte, unschuldige Musik aus, die von mutwilligen Störgeräuschen torpediert wird. Im weiteren Verlauf korrodiert die Sprache immer mehr und das Stück wird zum surrealen Theater, bei dem die Interpreten sich in grotesk anmutenden Alltagshandlungen ergehen. So gelingt es Smolka, nicht nur das Absurde sondern auch das Humorvolle in Kafkas Text aufscheinen zu lassen.

Dem Spieltrieb wurde in Witten auch an diversen Außenstationen gefrönt. Eine gerade erst still gelegte Kegelbahn – man wähnte sich in einem Bühnenbild von Anna Viehoff – diente Barblina Meierhans als Kulisse für ein skurriles Stationentheater. Manos Tsangaris überblendet einmal mehr Spiel und Wirklichkeit, indem er das Publikum von einem Glaspavillon aus das Straßentreiben und eine perfekt choreographierte Darstellerriege beobachten lässt.

Daneben gab es natürlich auch Kammermusik im klassischen Sinn zu hören. Misato Mochizuki lässt sich in ihrem vom Quatuor Diotima interpretierten Streichquartett Brains von der Funktionsweise des Gehirns anregen. Teils über einem Grundrhythmus, teils in freiem Flug ergehen sich die Musiker in individuellen Eskapaden und weben ein komplex-diffuses Netz mit hohem Energieniveau. Francesca Verunelli lässt in Flowers #3(dripping) die mikrotonal gestimmten Streicher zunächst flirrend in höchste Sphären vordringen und dann mit verstärktem Druck geräuschhafte Regionen erkunden. Ein weiteres Highlight war das Konzert mit der Sopranistin Sarah Maria Sun, dem Trompeter Marco Blaauw, dem Klarinettisten Carl Rossman und dem Schlagzeuger Dirk Rothbrust. In Mikel Urquizas Alfabet nach einem Gedicht der dänischen Lyrikerin Inger Christensen kann Sun ihr ganzes Lautrepertoire ausspielen. Während sie sich anfangs noch an einzelnen Worten festsetzt, wird die zu bewältigende Textmenge von Abschnitt zu Abschnitt größer, so dass sie schließlich in einen wahren Strudel gerät. Sasha J. Blondeau collagiert in Atlas I: In principio Texte, die um die Themen Aufruhr und Revolution kreisen und teilweise elektronisch zugespielt werden, während die Stimme sich vom Sprechen zum Gesang vorarbeitet. Das Ganze wirkt allerdings sehr artifiziell und überladen und klingt mehr nach Klage als nach Aufbruch. Die Welt lässt sich so wahrscheinlich nicht retten. Da geht es in Sara Glojnarics Artefacts #2 schon anders zur Sache. Das Stück basiert auf Schlagzeug-Intros der Rockmusik, die durch ihre Fragmentierung und den ungewohnten Einsatz der Stimme ohne das übliche Pathos aber mit überschäumender Energie daherkommen.

Auch wenn gesellschaftlich, politisch, ökologisch usw. aktuell wenig Anlass zur Freude herrscht, kulturell können wir uns (noch) nicht beschweren. Es gibt wahrscheinlich wenige Flecken auf der Welt mit einem derart dichten Angebot rund um die Uhr und in allen Sparten. Ob Opium fürs Volk, Futter für mündige Bürger oder Ansporn zum Aufbegehren bleibt natürlich unklar.

 

[Der goldene Drache von Peter Eötvös in Krefeld]

 

Als Koproduktion des Ensemble Modern und der Oper Frankfurt kam Peter Eötvös' Musiktheater Der goldene Drache 2014 zur Uraufführung. Jetzt ist es als Neuinszenierung im Krefelder Theater zu erleben, doch um exotischen Glanz, wie der Titel zu suggerieren scheint, geht es ganz und gar nicht. Der goldenen Drache erweist sich als Thai-China-Vietnam-Imbiss und verhandelt werden basierend auf dem gleichnamigen Schauspiel von Roland Schimmelpfennig brisante Themen wie Migration, Ausbeutung, Prostitution und Gewalt. Im Mittelpunkt steht das Schicksal eines jungen Asiaten, der in besagtem Imbiss arbeitet und an heftigen Zahnschmerzen leidet. Aufgrund seines illegalen Status kommt eine professionelle Behandlung jedoch nicht in Frage, weshalb seine Kollegen mit der Rohrzange zur Tat schreiten. Er überlebt diesen Eingriff nicht, seine Leiche wird den Fluten überantwortet und erreicht als abgenagtes Skelett heimatliche Gestade. Der Zahn wiederum landet in der Suppenschüssel einer Flugbegleiterin, die ihn in einem seltsamen Anflug von Anteilnahme mit dem Mund ertastet, sich seiner jedoch schließlich entledigt. Parallel dazu werden wir Zeugen, wie die Schwester des Asiaten, nach der er vergeblich Ausschau hielt, in die Prostitution gezwungen und brutalst vergewaltigt wird. Das wirkt auf der Bühne genauso überzogen und grotesk wie es sich hier liest, sowohl drastische als auch bizarre Elemente werden lustvoll ausgereizt, kein Klischee ausgelassen – und trotzdem gelingt es, den Personen eine Präsenz zu verleihen, die berührt und unter die Haut geht. Zu verdanken ist dies zum einen Eötvös' Musik. Auch er schreckt vor plakativen Elementen nicht zurück, metallisches Geschepper und einschlägige Melodik sorgen für chinesisches Flair, kritische Momente werden herrlich schrill überzeichnet, prosaische Texte ('schwer kariös') treffen auf Belcanto, die Schmerzen des Kleinen kulminieren in ausdrucksstarken Koloraturen während zum Takt des ausgefeilten Schlagwerks Gemüse geschnippelt wird, doch gleichzeitig gibt es auch Momente von großer Innerlichkeit – so zum Beispiel beim langen, die letzte Reise begleitenden Monolog. Während Eötvös' orchestrales Schaffen (s. o. die Aufführung beim Achtbrücken-Festival) inzwischen etwas verstaubt anmutet, geht seine musikalische Rechnung auf der Musiktheaterbühne auf – zumal sie von den Mitgliedern der Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Yorgos Ziavras präzise umgesetzt wird. Einen besonderen Anteil an dem gelungenen Abend haben die Regisseurin Petra Luisa Meyer und ihre Darsteller. Wie bereits bei Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte (s. Gazette März 2018) befindet sich das Publikum – gemeinsam mit den Musikern – direkt auf der Bühne, auf beiden Seiten eines laufstegartigen Podestes, an dessen einer Seite mit spärlichen Requisiten die Küche angedeutet wird. Die insgesamt 18 Figuren werden von nur fünf Sängern dargestellt, die durch ständigen Rollenwechsel auf Trab gehalten werden. Männer schlüpfen in Frauenrollen und umgekehrt, Rollenwechsel finden auf offener Bühne statt, Regieanweisungen werden gleich mitgesungen, all das wirkt in bewährter Verfremdungsmanier der Illusion entgegen und trotzdem – und das ist das Faszinierende – kommen wir den Figuren, nicht nur räumlich, ganz nah, leiden mit ihnen mit und lassen uns in ihren Bann ziehen. Panagiota Sofroniadou, Susanne Seefing, Peter Koppelmann, Rafael Bruck und allen voran James Park legen eine Spielfreude und Wandlungsfähigkeit an den Tag, die alleine schon den Besuch der Aufführung lohnt und dafür sorgt, dass die Quadratur aus Humor und Ernsthaftigkeit, Absurdität und Realitätsnähe, Drastik und Behutsamkeit, Exaltiertheit und Intimität gelingt (in Krefeld sind weitere Aufführungen am 2. und 10.7. zu erleben und in der nächsten Spielzeit wandert die Inszenierung nach Mönchengladbach).

 

[Termine im Juni]

 

Köln

 

In der Philharmonie stehen Werke von Roxanna Panufnik, Stjepan Šulek, Vincent Persichetti und Jacques Castérède am 2.6., von Mauricio Sotelo am 4.6., von Jörg Widmann, Sofia Gubaidulina u.a. am 12.6., von Jean-Frédéric Neuburger am 16., 17. und 18.6., von Toshio Hosokawa am 25.6., von Anno Schreier am 27. und 30.6. sowie ein Konzert mit elektronischer Musik am 13.6. auf dem Programm. ON – Neue Musik Köln kündigt das Ensemble Unterwegs mit dem Liederzyklus Sommergesichter am 8.6. und das Duo Emilio Gordoa und Hanna Schörken am 12.6. an. In der Kunststation Sankt Peter erwartet uns neben den Lunchkonzerten am 15., 22. und 29.6. Broken Ghost Consort am 12.6. (am 14.6. auch in Münster und am 15.6. in Wuppertal s.u.). Im Rahmen des Festivals Sommerblut ist die Musikfabrik am 4.6. mit Georg Friedrich Haas Hyena beim Deutschlandfunk zu Gast und in der Hochschule für Musik und Tanz kommt am 3. und 4.6. die Literaturoper Der Golem zur Aufführung. Die Musikfabrik lädt außerdem am 24.6. zum nächsten Montagskonzert und am 27. und 28.6. präsentiert sie unter dem Motto Adventure Uraufführungen von Studierenden. Am 22.6. findet in der Hochschule zudem ein Kompositions- abend mit Studierenden der Klasse Prof. Johannes Schild statt. Das musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln veranstaltet eine Lecture mit Karin Bijsterveld am 19.6. und ein Konzert mit Stockhausens Hymnen am 28.6. Der 11. Containerklang findet am 2.6. im Artheater und das nächste Blind Date am 5.6. im Salon de Jazz statt, der von Antoine Beuger geleitete Chor Superterz ist in der Epiphaniaskirche Köln Bickendorf zu Gast, die reiheM kündigt für den 18.6. eine Performance mit Goodiepal and Pals an, beim nächsten Musik der Zeit-Konzert des WDR wird am 22.6. ein Werk von Vito Žuraj aus der Taufe gehoben, in der Reihe soundings der Kunsthochschule für Medien kann man am 27.6. ein Kopfhörerkonzert erleben und am 30.6. erkundet der Kammerchor der Uni in St. Gereon Himmelsstraßen mit einer Uraufführung von Michael Ostrzyga.

Am 19.6. eröffnet die begehbare Klangkomposition Memory Garden von Merzouga im Garten von St.Cäcilien/Museum Schnüttgen und fast täglich finden Konzerte im Loft statt – z.B. eine Performance-Oper von Thea Soti am 10.6., das Multiple Joy[ce] Orchestra am 11.6. oder das Composers‘ Orchestra Berlin am 17.6.

Weitere Termine finden sich wie üblich bei kgnm (z. B: Zauberklänge für Menschen ab 4 Jahre) und Jazzstadt Köln.

 

Ruhrgebiet

 

Das Ensemble Horizonte ist am 10.6. in der Bochumer Melanchthonkirche zu Gast.

 

Im Dortmunder Konzerthaus stehen Morton Feldmans Madame Press Died Last Week at Ninety am 2.6. und Witold Lutoslawskis Konzert für Violoncello und Orchester am 4. und 5.6. auf dem Programm. Im Depot ist am 15. und 16.6. das Musiktheater […alles gut...] von und mit dem Ensemble Oper, Skepsis und Gleisbau und am 21. und 22.6. Unter dem Schatten deiner Flügel, eine analog-, elektroakustische Schatten-Klang-Performance, zu erleben. Das Chorwerk Ruhr bringt am 20.6. in der Propsteikirche Werke von Nikolaus Brass und Heinrich Schütz zu Gehör und am gleichen Tag hat im Orchesterzentrum NRW die Kammeroper Nova – Imperfecting Perfection in einer Inszenierung von Kay Link Premiere. In der Stiftskirche St. Clara spielt der Organist Carson Cooman am 26.6. Werke von Mohr, Aberg, Willscher und Eva-Maria Houben.

 

Auf dem Konzertkalender der Duisburger Philharmoniker stehen Werke von György Ligeti und Daniel Schnyder am 5. und 6.6., von Johannes Fischer am 7.6., von Hauke Berheide am 26. und 27.6. sowie Composing Voices am 13.6. Im EarPort findet am 30.6. ein Konzert in Zusammenarbeit mit der Robert Schumann Hochschule statt.

 

Das Musiktheater […alles gut...] von und mit dem Ensemble Oper, Skepsis und Gleisbau ist am 1. und 2.6. auch im Maschinenhaus Essen zu erleben. In der Folkwang Hochschule stehen die ExMachina Werkstatt am 13.6. und Anno Schreiers Songzyklus Wunderland am 13., 14. und 15.6. auf dem Programm. In der Philharmonie spielt Daniel Hope am 17.6. Musik von Philip Glass und John Adams und vom 24. bis 28.6. kann man im Stadtgarten wieder den Parksounds lauschen. Das EarPort Ensemble begleitet am 29.6. die Eröffnung der Jahresausstellung des Kunstlabors Essen.

 

Im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier ist am 28. und 30.6. ein ungewöhnliches Opernexperiment zu erleben. Unter dem Titel und jetzt alle befasst sich das Künstlerkollektiv KGI mit Unterstützung von Sängern und Musikern mit dem Thema Arbeit.

 

Im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr erklingt Musik von Richard Dubugnon am 6.6. in Wuppertal, von György Ligeti und George Benjamin am 12.6. bei einem Schulprojekt in Duisburg, von Jakob Raab am 15.6. in Bottrop, von John Adams am 25.6. in Mülheim und von Georg Benjamin und Tristan Murail am 28.6. in Duisburg.

 

Düsseldorf

 

In der Tonhalle kommt am 31.5., 2.6. und 3.6. Luca Lombardis Sarah & Hagar für zwei Soprane und Orchester zur Uraufführung und vom 6.6. bis 8.6. findet wieder das Schöne Wochenende statt. In den sieben Veranstaltungen wirken u.a. die Ensembles notabu und Horizonte, die Stockholm Chamber Brass sowie das Trickster Orchestra mit. Ein besonderer Schwerpunkt gilt diesmal dem Schaffen von Frauen.

Die Clara-Schumann-Musikschule stellt am 7.6. Neue Musik aus den Kompositionsklassen vor und im Rahmen der Experimentale wird am 12.6. ein Schulprojekt unter Mitwirkung des Komponisten Sven-Ingo Koch präsentiert. Die sechsten Düsseldorfer Klangräume starten am 30.6. mit einer Suite über das Grundgesetz. Weitere Veranstaltungen folgen im Juli.

 

Sonstwo

 

Die Reihe 'Hören und Sprechen über neue Musik' der Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik befasst sich am 14.6. mit Rebecca Saunders und am gleichen Tag wird aktueller Jazz geboten.

 

Das Earquake Ensemble ist am 2.6. in der Bielefelder Zionskirche zu Gast und der Jour fixe der cooperativa neue musik widmet sich am 3.6. der instrumentalen Komposition mit dem Computer von Achim Bornhöft.

 

Der Bonner Wortklangraum lädt am 5.6. die Akkordeonistin Eva Zöllner in den Dialograum Kreuzung an Sankt Helena und am 15. und 16.6. erinnert man sich dort an den 100. Geburtstags von Galina Ustwolskaja – mit einem Klavierabend und einem Konzert der Musikfabrik. Am 21.6. wird vor dem Beethoven-Haus die neue Klangskulptur des Stadtklangkünstlers Bill Fontana eröffnet.

 

Das Detmolder Ensemble Horizonte ist am 6.6. im Hangar 21 mit Werken von Komponistinnen der Gegenwart und am 30.6. anlässlich der Ausstellungseröffnung Simon Pasieka im Kunstverein Lippe zu erleben. In der Musikhochschule stehen ein Konzert mit dem Ensemble Earquake am 1.6., Werkstattkonzerte der Schlagzeugklasse am 6.,7., 21., 24. und 26.6., Udo Zimmermanns Oper Die Weiße Rose am 20. und 24.6. und die Werkstatt für Wellenfeldsynthese am 26.6. auf dem Programm.

 

Das E-Mex-Ensemble präsentiert am 7.6. im Museum Goch Kunststücke.

 

Auf dem Programm des Festivals Spannungen im Kraftwerk Heimbach findet sich auch Zeitgenössisches. Vom 23. bis 30.6. erklingt Musik von Berio, Kurtág, Holliger, Widmann u.a.

 

Das Ensemble Crush ist am 23.6. im Schütte Pavillon im Krefelder Kaiserpark zu erleben und im TAM ist zum Saisonabschluss die Gruppe Missiles zu Gast – jeweils freitags um 22 Uhr.

 

In Mönchengladbach findet vom 26. bis 30.6. die Ensemblia statt. Auf dem Programm stehen diesmal die Gruppe Elbtonal Percussion, die Niederrheinischen Sinfoniker mit einer europäischen Erstaufführung von Michael Gilbertson, Performances, Workshops und manches mehr.

 

Vom 8. bis 10.6. pilgern Freunde improvisierter Musik wieder zum Festival nach Moers. Mit dabei sind diesmal die Musikfabrik, Frank Niehusmann mit Untertagemusik, Hayden Chisholm, Phil Minton, das Sun Ra Arkestra u.v.a.m.

 

Im Rahmen des münsterlandweiten Klangkunstfestivals soundseeing kommt das Kontrabaßquartett Sequoia in die Black Box nach Münster. Außerdem stehen dort Broken Ghost Consort am 14.6., das Trio Klare - de Joode - Rosaly am 19.6. und die Gruppe Spemakh am 21.6. auf der Bühne und am 29.6. findet ein elektroFlux-Workshop statt. Die Musikhochschule kündigt für den 17.6. einen Brückenschlag vom Mittelalter bis zur Uraufführung neuer Musik an.

 

Im Rahmen von soundseeing sind außerdem das Wuppertaler Improvisationsorchester am 16.6. in Heek und am 22.6. in Bocholt, Klangkunst von Claus van Bebber im Eiskeller in Altenberge und Klanginstallationen von Pierre Berthet und Claus van Bebber in Oelde zu erleben.

 

In Pulheim-Stommeln gibt es wieder Raumklänge zu entdecken. Angekündigt sind das Duo Frantz Loriot und Christian Wolfarth am 14.6., eine Klangwanderung am 15.6. und das Trio Kimmig-Studer-Zimmerlin am 29.6.

 

Das Studio für Neue Musik der Uni Siegen bietet Blues in the Night am 6.6. und Traumwandlungen am 19.6.

 

Die Wuppertaler Konzertreihe unerhört kündigt für den 15.6. Broken Ghost Consort an, im ort erwarten uns Chris Hill und Cleaning each other am 16.6. und ein Gesprächskonzert mit Christoph Schiller am 23.6. und im Skulpturenpark Waldfrieden kann man am 20.6. ein Wandelkonzert genießen.

 

Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW